Wir versuchen dem Gedanken gemäß zu arbeiten, dass jedes Kind als Subjekt dahin tendiert, mit seiner Umwelt zu kommunizieren - auf seine Weise mit seinen Möglichkeiten. Daher ist es selbstverständlich, dass das Kind nicht Objekt der Behandlung ist. Als Objekt hat es nicht die Möglichkeit mit mir gemeinsam geteilt tätig zu sein. Die adäquate Kommunikation kann sich nur auf einer gemeinsam geteilten Entdeckungsreise entwickeln, die vom gemeinsam geteilten Sinn ausgeht, immer im Lichte eines theoretischen Konzepts, das sich auf Erfahrungen gründet und keine intellektuelle Kopfgeburt ist von Vorurteilen im Dienst machtpolitischer Interessen.
Ohne gemeinsam geteilten Sinn kann es keine gemeinsam geteilten Bedeutungen geben. Eine sinnvolle gemeinsam geteilte Tätigkeit ist daher subjektwissenschaftlich orientiert. Wir gehen davon aus, dass alle Verhaltensweisen, die das Kind äußert, mit dem wir kommunizieren möchten, aber aufgrund unseres mangelnden Verständnisses für seine Äußerungen nicht können, aus der Sicht des Kindes selbst höchst sinnvoll, höchst zweckmäßig und höchst intelligent sind. Es sind seine Schutzmechanismen.
Die Kinder mit Autismus sind so unterschiedlich, dass auch die Arbeit mit ihnen völlig unterschiedlich ist. Einige Kinder konnten nicht sprechen, dafür aber schreiben, und zwar auf sprachlich sehr hohem Niveau. Andere konnten nur im Sinne von Echolalie nachsprechen. Wiederum andere konnten weder sprechen noch schreiben.
Bevor wir mit der gemeinsam geteilten Entdeckungsreise beginnen, ist es wichtig, dass wir naturgegeben keine Anschlussmöglichkeit an ihre Weisen sich zu äußern haben, dass wir schon deswegen keine eigenen Erwartungen haben dürfen und dass wir uns immer darüber im Klaren sein müssen, dass das, was im nächsten Augenblick geschieht, völlig offen ist.
Nach der Analyse unserer Erfahrungen ist für uns das wesentliche Problem der Kinder mit autistischer Symptomatik, dass sie während ihrer Entwicklung keine soziale Schutzhaut ausbilden können.
Vor der Geburt hat das Kind dreifachen biologischen Schutz: durch das Fruchtwasser, die Gebärmutter und den Mutterleib. Danach ist es der fremden Welt schutzlos ausgeliefert, wenn es der Mutter und dem Kind nicht gelingt, anstelle des biologischen einen sozialen Schutzmechanismus auszubilden. Ohne soziale Bindung wird dem Kind die Entwicklung vom sozialen Wesen zum Individuum versperrt. Damit sich eine soziale Bindung von Mutter und Kind trotz der Überempfindlichkeit des Säuglings entwickeln kann, ist es heilsam, ihm soviel Nähe zu geben, wie er braucht, und gleichzeitig die notwendige Distanz zu gewähren. Das bedeutet ihn aufzunehmen, ohne ihn anzufassen, ihn anzurühren ohne Berührung. Diese Idee hat in dem Werk El Grecos "Die Geburt Jesu" Gestalt angenommen. Maria und Josef schützen und halten das Kind. Sie wagen es nicht, es mit ihren Blicken und ihren Händen zu irritieren.